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Marvel Comics bei Bastei

Interview mit Werner Geismar

Andreas Schick führte ein Briefinterview mit Chefredakteur Werner Geismar.
(Interview von 1989 - erschien in Comic Archiv 18)
Das ist zwar nicht mehr wirklich aktuell, aber da mir im Zusammenhang mit Bastei wenig Original-Stimmen bekannt sind, ist es dennoch recht interessant.

Seit dem bedauerlichen Ende der Marvel Comics im Williams Verlag im Jahre 1979 mussten deren Leser und erst recht Fans und Sammler hierzulande auf brauchbare Neuerscheinungen leider oftmals vergeblich warten. Die Vorzüge der Williams-Ausgaben wie chronologische Herausgabe, adäquate Aufmachung und sorgfältige und gewissenhafte Überarbeitung muss man z.B. im Programm des Condor-Verlages fast immer vermissen.
Seit Jahresbeginn erscheinen nun 2 Serien im Bastei-Programm, die sich positiv von sonstigen, oft verstümmelten deutschen Marvel-Ausgaben abheben. Mit LONGSHOT (Abgeschlossen in 3 Banden, die US-Serie Nummer 1-5 von 1985 /86, wo bereits jetzt Heftpreise von bis zu 13 Dollar erzielt werden) und bis jetzt 2 Ausgaben von Licht & Schatten (US-Mini-Serie Cloak & Dagger 1 - 4 von 1983/84) wurde eine recht gute Auswahl getroffen.
Zu Gegenwart und Zukunft befragte Andreas Schick den zuständigen Jugendredakteur Werner Geismar.

Andreas S.: Wie kam der Bastei-Verlag dazu, Marvel Comics zu verlegen?
Werner Geismar: Die Entwicklung der amerikanischen Comicszene in den letzten Jahren war äußerst interessant. Comicstoffe wie "The Fish Police" (COMICO), "Love & Rockets", "Stray Toasters" (MARVEL), "Black Orchid" (DC) haben dem Comic völlig neue Themen, ästhetische Reize und inhaltliche Schwerpunkte gegeben. Dies ist in Deutschland kaum zur Kenntnis genommen worden. Man hat sich hier zu sehr auf die franko-belgischen Alben konzentriert. Auch von dem riesigen Programm der Marvel Comics sind etliche Stoffe in Deutschland überhaupt oder fast gar nicht bekannt. Zu diesen Stoffen gehören Longshot und Cloak & Dagger. Es sind beides Stoffe, die sehr vielschichtig sind und keine Superheldenserien im herkömmlichen Sinne. Beide Reihen haben Charaktere, die durchaus menschliche Dimensionen haben. Bei Longshot hat mich persönlich die Bandbreite der dort angesprochenen Probleme fasziniert. Cloak & Dagger haben mich überzeugt durch die aufgeworfene Fragestellung "Was ist gut, was ist böse?" Mehr als durch ihre moralische Dimension, die jedoch zweifelsohne vorhanden ist. Trotzdem hat die Serie keinen moralisierenden Unterton.

Andreas S.: Weshalb wählen sie das DIN A4-Format?
Werner Geismar: DIN A 4-Formate haben im Handel eine bessere Präsentation. Sie stehen in den Schrägbordregalen und nicht im untersten, waagrechten Fach, wo viele kleinformatige Hefte landen, nach denen man dann suchen muss. Kleinformatige Hefte haben meines Erachtens auch automatisch das Image des "Kinderprodukts". Wir sprechen aber mit beiden Serien altere Leserschichten an. Darüber hinaus wirken im DIN A 4-Format die Zeichnungen einfach besser. Die Bilder wirken nicht so gequetscht. Ich glaube, man kann auch unter dem Gesichtspunkt der Werktreue das größere Formatvertreten, da die Originalzeichnungen ja auch um einiges größer als das kleine Druckformat gezeichnet sind. Hinzu kommt, dass beide Comicserien einen verhältnismäßig großen Anteil an Textblasen haben. Das kleine Heftformat, das vor 10 Jahren in Deutschland noch das fast ausschließliche Comicserienformat war, wird für altere Leserschichten gewiss an Attraktivität verlieren.

Andreas S.: Wie groß ist das finanzielle Risiko bei solchen neuen Serien?
Werner Geismar: Das finanzielle Risiko ist beträchtlich. Dennoch haben wir uns für einen Preis von DM 3,50 entschieden, da wir mit diesen beiden Marvel-Stoffen die Chance haben wollten, auch andere Leseschichten anzusprechen, die bisher keine Marvel Comics gekauft haben. Auch glaube ich, dass man das finanzielle Potential, das dem interessierten Leser zur Verfügung steht, nicht überstrapazieren sollte. Die zweimonatige Erscheinungsweise hat den Vorteil, dass die Hefte im Handel länger präsent sind. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie vom Leser überhaupt bemerkt und gekauft werden können. Last but not Least: Ob eine Comicpublikation erfolgreich ist oder nicht, hängt vom Stoff ab.

Andreas S.: War eine möglichst originalgetreue Aufmachung beabsichtigt?
Werner Geismar: Der Originaltreue sind allein schon vom drucktechnischen Ablauf her gewisse Grenzen gesetzt. Außerdem glaube ich, daß durch den psychologischen Druck der Comicfanszene nach Originaltreue bei uns hier schon die merkwürdigsten Dinge geschehen sind: Wortwörtliche Übersetzungen, in denen sogar der amerikanische Sprachduktus beibehalten wird, sind anfangs in der Szene gelobt worden, weil sie "originalgetreu" gewesen sind. Dadurch sind oft Texte zustande gekommen, die einem sich das Nackenhaar sträuben lassen. Das ist meiner Ansicht nach keine Originaltreue, sondern eine Vergewaltigung des Originals. Unsere Devise ist, Originaltreue, soweit es möglich und soweit es sinnvoll ist. Zur Farbgebung: Da wir das Heftformat vergrößert haben, mussten wir auch völlig neu einfarben. Dass es uns gelungen ist, so nahe am Original neu einzufärben, darauf sind wir alle ein wenig stolz, weil dies äußerst schwierig ist.

Andreas S.: Warum fehlen bei den Heften des Bastei-Verlages zumeist Leserbriefseiten und ähnliches?
Werner Geismar: Die Vorstellung der Personen nimmt bei uns einen verhältnismäßig großen Raum ein, als Service an Erstleser und Neueinsteiger. Wir bringen nur dort Leserbriefselten, wo sich ein Leserforum auftun kann. Bei den Marvel-Serien stellen wir das Werk in den Vordergrund und wollen uns nicht selbst "beweihräuchern". Ich glaube, dass viele LBS gerade das verhindern, was sie bezwecken sollen, nämlich eine breite Öffentlichkeit für den betreffenden Lesestoff herzustellen. Zumal, wenn sie für einen Insiderkreis im Insiderkauderwelsch geschrieben sind.

Andreas S.: Was wird in Zukunft noch an Marvel Comics im Bastei-Verlag erscheinen?
Werner Geismar: Wir werden als Nr. 3 unserer deutschen Cloak & Dagger-Version die Marvel Graphik Novel veröffentlichen zum Preis von DM 5.-- mit 64 Selten in DIN A4. Danach werden wir die Cloak & Dagger-Episoden aus Strange Tales anschließen. Außer den bereits genannten beiden Serien haben wir die ausgezeichnet gemachte Marvel-Serie ALF in Großformat mit großem Erfolg im Programm. Ich finde, diesen Comic sollte auch die Fanszene zur Kenntnis nehmen, weil er ausgesprochen witzig und auch für den älteren Leser gemacht ist. Ich stehe mit Marvel in Verhandlung wegen weiterer Comicstoffe.

Andreas S.: Ist auch an die Veröffentlichung anderer Superheldenstoffe gedacht?
Werner Geismar: Die Gleichsetzung von amerikanischen Comics mit Superheldencomics erscheint mir nicht statthaft. Wir werden sicher auch andere amerikanische Comics bringen, so z.B . Robotech von Comico in Taschenbuchversion. Wir werden jeweils 4 Comico-Hefte zu einem Taschenbuch zusammenfügen.Zum Thema DC-Comics möchte ich mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern, da durch das Auslaufen der Ehapa-Verträge dieses Material für die Bundesrepublik völlig neu verhandelt wird. Andreas S.: Erscheint eine Fortsetzung der Serie Elfenwelt?Werner Geismar: Wir hoffen, dass auch die neuen Elfenwelt-Folgen bei Bastei erscheinen werden. Sollte dies nicht der Fall sein, sehe ich den Erscheinungstermin frühestens im Spätherbst 1989.

 

 

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