John Buscema ("big" John Buscema)
John Buscema kam am 11. Dezember 1927 in Brooklyn, New York, als Giovanni Natale Buscema zur Welt und verließ sie wieder am 10. Januar 2002 in Port Jefferson, New York, nach einer Magenkrebserkrankung. Er war verheiratet mit Dolores Buscema und hatte mit ihr die Kinder John jr. und Dianne. Von seinen 4 Enkelkindern ist Stephanie Buscema als Illustratorin tätig.
John war nicht der klassische Comic-Heft-Fan in seiner Jugend. Zwar mochte er Superman, als er 12 oder 13 war, aber dann war er sehr von Hal Foster (Tarzan und Prinz Eisenherz) und Alex Raymond (Flash Gordon) beeindruckt. Er hat die Strips in der Zeitung - News, Mirror, Journal-American - verfolgt und auch eifrig gesammelt. Burne Hogarth war weniger interessant für ihn, da er ihm zuviel Muskeln und zu wenig Bewegung darstellte.
John sammelte die Zeitungsstreifen, hatte aber wohl keinen Kontakt zu Comic-Heften.
Foster und Raymond beeinflussten John schon damals, ehe er selbst als Zeichner aktiv wurde.
Irgendwann hat er seine große Zeitungs-Strip-Sammlung entsorgt, was er später schon irgendwie bedauert hatte.
John machte seinen Schul-Abschluß an der High School für Musik und Kunst in Manhattan. Am Pratt Institute nahm er anschließend an einem Abendkurs teil und besuchte am Brooklyn Museum Zeichenkurse. Während er sich als Boxer versuchte, zeichnete er immer wieder und versuchte Illustrationen/Karikaturen (an Hobo News) zu verkaufen. Er hatte eigentlich keinen Schimmer von der Grafik-/Illustratoren-Branche und auch keine Vorstellung, was er in dem Bereich eigentlich beruflich machen wollte und könnte. Mit der überschaubaren beruflichen Erfahrung versuchte er einen Job als Illustator zu bekommen.
Ein Kollege gab ihm wohl den Hinweis, er könnte es mal als Comic-Zeichner versuchen, nachdem John schon etliche Absagen auf Bewerbungen erhalten hatte. So führte ihn das Schicksal zu Timely Comics, wo er von Stan Lee seinen ersten Marvel-Job bekommen hatte (1948, Schwerpunktthema der Comics waren Krimi, Romantik und Western - noch keine Superhelden, erster Job: "Kidnapping Abraham Lincoln" in Crime Fighters 4 von Nov 1948 soll Buscemas erste Arbeit sein, Lawbreakers Always Lose! 3 (Aug 1948) "Till crime do your part" die erste Veröffentlichung). Herausragend waren seine Arbeiten zu der Zeit aber noch nicht - vermutlich lag das auch daran, dass er anfangs nicht der Comic-Zeichner, sondern Illustrator war und nicht besonders viel Herzblut in die Sache gesteckt hatte).
1951 war John kurz Soldat und zwei Jahre später heiratete er (Dolores). Weiterhin war er für Timely/Atlas freiberuflich tätig, hatte aber auch Arbeiten für andere Verlage (Ace, Hillman, Orbit, Quality, St. John, Ziff-Davis) (Themen weiterhin: Krimi, Romantik und Western, allerdings auch kurz Nature Boy 3,4, der erste Superheldenkontakt).
Es muss eine harte Zeit gewesen sein. Es gab wenige Jobs und die wenigen waren extrem schlecht bezahlt. Kurz nachdem John Buscema bei Timely angefangen hatte, wurden alle Angestellten zu freien Mitarbeitern umfunktioniert (da billiger und schneller zu feuern). In einem Interview hat er erzählt (Alter Ego), dass ein Kollege gerade aus den Flitterwochen zurück kam und seine Arbeit los war. Auch bei John ging es manchmal schlicht um die Existenz. Arbeitslos zu sein in den USA der 40er und 50er Jahre war gleichbedeutend mit absoluter Armut. Teilweise wurde das wohl auch von den Chefredakteuren ausgenutzt. Arbeiten, die ihnen nicht gefallen haben waren für den Müll und die Zeichner mussten schnell Ersatz schaffen. (Ich wünschte, ich hätte die Arbeiten, die damals für den Müll waren). Die Preise rutschten in den Keller und John musste für Beträge arbeiten, die ihm ein Überleben nicht wirklich sicher stellten. Stan sagte ihm, dass die Budgets so gekürzt wurden, dass nur noch Studenten die Arbeiten machen würden. John bekam trotzdem noch einen Job, allerdings musste er zum halben Preis zeichnen und tuschen.
Nachdem es mit der Comic-Branche immer weiter nach unten ging, wechselte John in den nicht-Comic-Bereich - er musste ja von was leben. Er arbeitete für Chaite Agency (Studio) ab ca. 1958 als sketchman, eine bedeutende Agentur in New York. Er arbeitete ingesamt 8 Jahre im Comic freien Bereich und macht sein Geld mit Werbung. Er hatte viele unterschiedliche Jobs (Layouts, Storyboards, Illustrationen für unterschiedliche Medien).
1966 wollte Marvel ihn wieder haben. John war sehr überrascht, dass ihn die Marvel-Leute überhaupt gefunden und noch an ihn gedacht haben. Einige Zweifel hatte er bzgl. Comics auch noch - er hatte den brutalen Untergang der kommerziellen Seite hautnah mitbekommen - aber Stan Lee erklärte ihm , dass nun alles anders wäre. Nachdem John in seinem Job nicht so ganz glücklich war - er war nach seinen Aussagen täglich ca. 6 Stunden unterwegs, um in das Büro und wieder zurück zu kommen - wollte er wieder zu Marvel. Da konnte er dann auch wieder zu hause arbeiten und musste nicht immer die Fahrten ins Büro auf sich nehmen. Stan Lee wollte zwar zunächst, dass von John Buscema öfter im Büro die Arbeiten übergeben und diese dann durchgesprochen werden sollten, aber John konnte es so drehen, dass er nur ganz selten in die Stadt fahren musste (er nahm oft besonders eilige Aufträge und dann gab es keine Zeit mehr für Gespräche).
Als er wieder am Start war, hat Stan Lee ihm erstmal einige Comics von Jack Kirby in die Hand gedrückt, da das damals der gefragte Stil war, nachdem Kirby die Erfolgsgeschichte von Marvel mit geschaffen und definiert hatte. Außerdem war Werbung und Comic ein Unterschied, den John erstmal wieder überbrücken musste. John hatte ja nicht mehr viel mit Comics am Hut und kannte auch die Arbeiten von Kirby bis dahin nicht. Er fand die Arbeiten von Kirby bzgl. Storytelling, Layouts und der Bewegung/Dynamik unvergleichlich gut und arbeitete sich auf dieser Basis wieder in die Comics ein.
Er begann mit Nick Fury und Hulk ehe er die Avengers (Nr. 41) übernahm und später bei den Fantastic Four Nachfolger von Jack Kirby wurde, der zu DC wechselte. Er hatte in der Folge bei fast jeder Serie mal die Finger im Spiel. Besonders zu erwähnen ist natürlich die Silver Sufer-Serie, die als einer seiner Höhepunkte des Comic-Schaffens gilt. Gerade bei Silver Surfer (Nr. 4) hat sich John bewußt vom Kirby-Stil entfernt. Stan hat ihm seine Arbeit zwar dann um die Ohren gehauen, ihn aber Jahre später genau dafür gelobt. John hat diese Geschichte wohl öfter erzählt, auch als ein Beispiel für Zeichner, die "zerstört" wurden, weil der Chefredakteur mit dem falschen Fuß aufgestanden war. Nicht vergessen darf man die Thor- und Sub-Mariner-Hefte, die John, wie auch die fantastischen Vier, über einen längeren Zeitraum betreut hatte.
Als Jack Kirby zu DC gegangen war, wurde John Buscema der Zeichner, der als Nachfolger/Ersatz für Kirby gehandelt wurde. Es war zwar klar, dass John und Jack nicht den gleichen Stil haben, aber von Marvel-Seite wurde John in die Nachfolge-Rolle geschoben und John machte die Jobs (Serienübernahmen von Jack Kirby) gerne, so lange er Geld damit verdienen konnte (sagte John auf humorvolle Art).
Nicht umsonst kam es auch zu der Zusammenarbeit bei dem enorm erfolgreichen Buch "How to Draw Comics The Marvel Way" von Stan Lee und John Buscema (John konnte nicht wirklich verstehen, warum er sich die Gewinne mit Stan teilen musste, wo John doch die größte Arbeit damit hatte und Stan Lee nur die Zwischenkommentare geschrieben hatte - sagte er öfter im Spass. Tatsächlich war das Buch ein Ergebnis von John Buscemas Lehrtätigkeiten - seine Erfahrungen, die er in der Paxis des Unterrichtens gesammelt hatte, flossen in das Buch ein. John gab einige Jahre Unterricht und konnte sich über mangelnde Anfragen nicht beklagen. Für eine Mini-Anzeige in den Marvel Comics (Zeichnen lernen) bekam er 2500 Zuschriften von Interessierten.
John Buscema war immer jemand, der gerne Figuren zeichnet. Figuren stehen bei seinen Arbeiten immer im Mittelpunkt. Oft wird über ihn gesagt, seine Zeichnungen würden anatomisch extrem gut sein (sozusagen der Dürer unter den Comic-Zeichnern). Auch eine ausgeprägte Ästhetik und Eleganz seiner Charaktere ist nicht von der Hand zu weisen. Darstellungen von Monstern oder Tieren haben immer eine Ästhetik, die sicherlich angenehm in der Betrachtung ist. Ob das immer passend war (z.B. bei Frankenstein) ist sicherlich Ansichtssache - ein Augenschmauß waren seine Zeichnungen bestimmt immer. Er hat auch fast nie nach Fotos gezeichnet, dafür enorm viele Entwürfe und Versuche gemacht. Er hat eigentlich immer getestet und ausprobiert. Bei seinen Originalzeichnungen (kaum zu bezahlen übrigens) sind die am begertesten, bei denen er auf der Rückseite Entwürfe gemacht hat. Diese waren oft spannender als die publizierten Zeichnungen selbst.
John ist sicherlich in der Spitzengruppe der Marvel-Zeichner zu sehen. Die Dynamik oder Erzählweise eines Kirby hat er sicher nicht erreicht, aber auf seine Art werden die Inhalte sehr präzise in den Zeichnungen formuliert. Seine Stärken waren sicherlich (ab den Siebziger Jahren) die Illustration, Raumaufteilung und Eleganz/Ästhetik der Zeichnung an sich und er hatte auch nie den Anspruch, mehr als die Umsetzung der Geschichte zu machen (im Gegensatz zu Kirby, der sich da viel mehr eingebracht hatte und Conan einmal ausgeklammert). Kirby hat für die Dynamik und Bewegung gerne mal die Anatomie und Präzision untergewichtet, was bei John eigentlich undenkbar war - er war bei den Autoren recht beliebt, weil er die Storys auf den Punkt mit einer hohen zeichnerischen Präzision umgesetzt hat. Künstlerische/kreative Freiheiten hat er sich wohl nur bei Conan gegönnt.
Ein Grundproblem, was wohl jeder Zeichner hat, aber John wohl besonders ausgeprägt, das Tuschen und Einfärben durch Kollegen. John Buscema war immer sehr unzufrieden mit der Tuscherei der Kollegen (Ausnahme war wohl nur Sal, sein Bruder, Tom Palmer und wenige andere). Er hatte wieder mal mit Stan Lee eine Diskussion, in der Stan ihm dann wohl gesagt hatte, dass er nun alle Tuscher durchprobiert hat und es keine Alternativen mehr gibt. Stan signalisiere John, dass er sich entweder mit der Situation abfinden oder wieder in die Werbung zurück gehen muss. Klare Aussage, und John blieb natürlich. Das Thema Tuschen ist auch ein Grund, warum John keine Arbeiten aufheben wollte, weil die meist ein anderer getuscht hatte und er sich wohl sehr oft unverstanden gefühlt hatte. Die Vorstellungen, die er beim Zeichnen hatte, wurde nicht immer so umgesetzt, wie er sich das überlegt hatte. Er hätte gerne selber getuscht, aber der Verlag wollte natürlich so viele Beistift-Zeichnungen wie möglich und durch Tuschen/Inken wäre viel Zeit verloren gegangen.
Buscema arbeitete gerne so mit den Autoren zusammen, dass die Inhalte per Telefon durchgesprochen wurden und John hat alles umgesetzt. Stan Lee war echt verblüfft, wie er das macht. John machte sich nie Notizen, vergaß aber keine Details von der Story.
Wenn man aber an John Buscema denkt, fällt einem unweigerlich Conan (von Robert E. Howard) ein. Zusammen mit Roy Thomas arbeitete er, nachdem sich Barry Windsor Smith verabschiedete, an der Serie ab 1973. Eigentlich hätte John anfangs schon an der Serie arbeiten sollen, aber da man zuerst kein großes Vertrauen in den Erfolg der Serie hatte, wollten sich die Verantwortlichen Buscema zuerst nicht leisten (Martin Goodman wollte wohl das Geld, welches für die Rechte drauf ging, beim Zeichner wieder einsparen und Buscema war zu dem Zeitpunkt schon einer der Top-Zeichner mit entsprechendem Verdienst). Conan wurde aber dann doch "seine" Serie. Auch mochte er die Bücher von Robert E. Howard, die er gelesen hatte, als er Conan als Auftrag bekommen sollte und er hatte bei der Gestaltung der Serien sehr viel freie Hand. Er wollte optisch möglichst nahe an das Original. Er veränderte Conan mehr zum Barbaren, muskulöser und kantiger (weg vom High School boy).
Er zeichnete "Conan the Barbarian" (Comic-Heft) und "Savage Sword of Conan" (Schwarzweiß-Magazin) und er sagte selbst, dass Conan sein Lieblingsprojekt war. An normalen Superhelden war er nicht so sehr interessiert (da hat er auch nie Unterlagen / Zeichnungen aufgehoben, nur Conan war ihm so wichtig, dass er dafür Material behalten hat). Er hatte nie Freude am Zeichnen von technischen Sachen (Autos, Flugzeuge usw. machten ihm keinen Spaß), das Figürliche stand ihm viel näher, was für Conan auch absolut passte. 1987 endete erstmal das Kapitel Conan für John und es kamen wieder mehr die Superhelden zum Zug. 1985 und 1986 bewegte sich der Schwerpunkt zu den Superhelden-Serien Avengers und Fantastic Four. Bis dahin war Buscema mit Conan so eingespannt, dass nebenbei nur wenige, aber interessante Projekte möglich waren (z.B. das erste DC/Marvel-Cross Over Superman/Spiderman, eine Silver Surfer-Story für EPIC).
Sein Schwerpunkt war aber das Conan-(Bleistift-) Zeichnen - das Tuschen hat zeitlich nicht funktioniert, ebenso wie auch oft das Coverzeichnen. 1991 geht es aber wieder weiter mit Savage Sword of Conan, bis dann 1996 endgültig das Aus für Conan kam.
Ab 1996 begann dann auch langsam der Ruhestand. Es gab zwar immer wieder kleinere Projekte, aber man kann 1997 schon als das Ende des beruflichen Schaffens von John Buscema bezeichnen, auch wenn er noch diverse kleinere Aufträge gemacht hatte. Für DC hat er zusammen mit Stan Lee (Just imagine Stan Lee and John Buscema creating Superman) gearbeitet (Superman und Bat-Man), was er noch einige Jahre zuvor abgelehnt hatte, als man ihn von DC gefragt hatte (ich kann mich nur auf einen Auftraggeber einlassen).
Er bekam 1974 den Shazam-Award als bester Künstler und wurde 2002 in die Eisner Hall of Fame aufgenommen.
Big John Buscema hat einen beeindruckenden Weg zurück gelegt. In seinen ersten Jahren als Comic-Zeichner hat er viel über das Handwerk gelernt, ohne anfangs qualitativ besonders aufzufallen. Aber durch die vielen lehrreichen und auch harten "Lehrjahre" hat er eine Basis geschaffen, sich in den 70ger Jahren zu einem der anerkanntesten Zeicher zu entwickeln und für Marvel sicherlich zu einem der wichtigsten. Über viele Jahre war er das Aushängeschild bei Marvel und nicht wenige sagen, wenn man die Stärken eines Kirby mit den Stärken eines Buscema verschmelzen könnte, wäre das Ergebnis perfekt und nicht mehr zu toppen. Ich finde, dass John Buscema eine unvergleichliche Schönheit, Eleganz und Ästhetik in die Superhelden-Zeichnung gebracht hat. Seine Arbeiten sind immer kleine Kunstwerke, bei denen das Ansehen schon ein Genuß ist, was sicher auch an seinen anatomisch vorbildlichen Figurdarstellungen liegt.
Schade, dass diese Zeit vorbei ist
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